Gegen den Ligazweiten Bayer Leverkusen stand das Schiedsrichtergespann oft im Blickpunkt. Satz eins und fünf enden mit Fehlentscheidungen. In einem hochklassigen Zweitligaspiel unterliegen die Stralsunder Volleyballerinnen Bayer Leverkusen dramatisch mit 2:3.

André Thiel feuerte seine Taktiktafel weg, griff sich mit beiden Händen an den Kopf, raufte sich die Haare, sank zu Boden und starrte völlig ungläubig Richtung Schiedsrichter Michael Schleicher. Während der Großteil der 385 Fans ein gellendes Pfeifkonzert anstimmte, blickten die Stralsunder Volleyballerinnen mit fassungslosen bis wutentbrannten Minen zum Unparteiischen. Keiner in der Diesterweghalle wollte am Sonnabend gegen 19.11 Uhr wahrhaben, dass die an Dramatik nicht zu überbietende Zweitliga-Partie gegen den TSV Bayer Leverkusen mit einer krassen Fehlentscheidung im Tie-Break zu Ungunsten der Wildcats entschieden wurde.

Beim Stand von 15:16 im fünften Satz schmettert Lisa Schulmeister einen Ball durch die Mitte ins Aus. Die Wildcats jubeln über den vermeintlichen Ausgleich, denn alle Beteiligten haben eine Leverkusener Berührung beim Block gesehen – nur Referee Schleicher nicht. Es war nicht die einzige strittige Regelauslegung des Schiedsrichters und seiner Assistentin Pia Hoppe, in diesem Fall jedoch die spielentscheidende – 3:2-Sieg für Bayer. Minutenlang diskutierten Trainer und Funktionäre beider Teams nach dem Abpfiff über die Partie, denn auch die Leverkusener Spielerinnen hatten mächtig Redebedarf. Die Auswärtsmannschaft echauffierte sich über das Stralsunder Publikum, das die Halle bei Wildcats-Führung oder Schiedsrichter-Fehlentscheidung immer wieder in einen Hexenkessel verwandelte.

„Heute hatten wir ein hitziges Publikum, alle waren mit Leidenschaft dabei. Im Volleyball wünscht man sich doch, dass alle mitfiebern. Ich bin froh, dass die Fans so emotional sind – wenn alles fair bleibt“, meinte ein aufgebrachter André Thiel nach dem Abpfiff und schob hinterher: „Ich kann die Aufregung von Leverkusen nicht nachvollziehen.“

Satz 1 endet mit Fehlentscheidung

Die Stralsunder Volleyballerinnen starteten mutig in die Partie gegen den Tabellenzweiten, griffen stets mit sehr viel Druck an. Doch sofort merkte man: Es wird extrem schwer, gegen Bayer zu punkten. Die Rheinländerinnen präsentierten sich in Annahme und Abwehr exzellent, allen voran Libera Julia Lambertz. Dennoch erspielten sich die Gastgeberinnen immer wieder Vorsprünge (8:4, 13:9, 17:13), ehe das Spiel kippte (19:20). Schulmeister blockt den ersten Leverkusener Satzball. Die Halle tobte, erzeugte mit 104 Dezibel Rockkonzert-Atmosphäre.

Kurz darauf der erste große Aufreger: Ein Leverkusener Angriffsball springt vom Block von Madleen Piest an die Antenne. Schiedsrichter Schleicher hatte zuvor schon Antennenberührung gesehen. 26:24 – schmeichelhafter Satzgewinn für die Wildcats. „Wir haben es geschafft, in der entscheidenden Phase dranzubleiben“, lobte Thiel seine Mannschaft. „In Satz zwei und drei haben wir dem Druck dann nicht mehr standgehalten.“

In der Tat ließen die Gäste in der Folge wenig zu. Nach 3:0-Wildcats-Führung übernahm Bayer das Zepter. Stralsund kam vereinzelt zu Punkten, nicht aber zu einer Aufschlagserie, die den Ligazweiten ins Straucheln hätte bringen können. Nach dem 18:25 im zweiten und 14:25 im dritten Satz herrschte Totenstille auf den Rängen. Die anfänglichen Hoffnungen auf einen Punktgewinn schwanden. „Wenn man aufhört, an sich zu glauben, dann läuft nichts mehr. Auch ich hatte so eine Phase. Da kam Swantje (Basan/d. Red.) zu mir und sagte: ,Laura, mach lieber mehr als zu wenig’“, gestand Laura Kurtze nach dem Spiel. Für die 20-Jährige war der Teamgeist ein Schlüssel dafür, dass das Team noch einmal zurückkam. „Jede hat jeder geholfen und Mut zugesprochen. Das ist das Gute an dieser Mannschaft.“

Kurtze holte einen wichtigen Aufschlagpunkt zur 17:10-Vorentscheidung im vierten Durchgang, in dem bei den Wildcats fast alles klappte. Mal holte Swantje Basan frech mit dem zweiten Kontakt durch die Mitte, mal Madleen Piest mit Gewalt oder eben Kurtze und Dana Polenz per Aufschlag einen Punkt. Zudem wehrte Sabrina Dommaschke einige Leverkusener Geschosse ab. Lisa Schulmeister, die zur besten Wildcats-Spielerin am Sonnabend gekürt wurde, verwandelte zum 25:20.

Drama im fünften Akt

Der anschließende Tie-Break ging an die Nerven. „Ein heißes Spiel, in dem man einen kühlen Kopf bewahren musste“, hatte André Thiel nach Spielende gesagt – die Umsetzung war kaum möglich. Beim 3:3 fuchtelte der Trainer mit den Armen, brachte Mannschaft und Publikum zum Kochen. Dann holte sich Thiel die Gelbe Karte wegen heftigen Protestierens ab, weil ein Schulmeister-Angriff zwar im Feld landete, das Schiedsrichtergespann aber auf Aus plädierte (6:7).

Nachdem Laura Kurtze zunächst noch drei Matchbälle abwehrte, stand am Ende die große Fassungslosigkeit, die nach ein paar Sekunden anerkennendem Beifall für einen aufopferungsvollen Kampf der Wildcats wich. „Heute dominieren Ärger und Frust, ab morgen hoffentlich der Stolz. Stolz, dass wir uns im Vergleich zum Hinspiel so gut entwickelt haben“, ließ eine niedergeschlagene Laura Kurtze in ihre Gefühlslage blicken.

Die Wildcats bleiben nach 16  Spielen Tabellensechster und sind am Sonnabend beim ungeschlagenen Tabellenführer Skurios Volleys Borken gefordert.

Von Horst Schreiber (OZ)