Volleyballerinnen seit sieben Spielen ohne Satzverlust / Revanche ohne Glanz gegen Aufsteiger

Das Bild während der ersten technischen Auszeit im zweiten Satz war bezeichnend: Stralsunds Trainer André Thiel ließ die Wildcats unter sich, lief nachdenklich und leicht verärgert auf und ab.

Zwar hatten die Zweitliga-Volleyballerinnen des 1. VC Stralsund den ersten Satz gegen VC Allbau Essen irgendwie gewonnen, waren nun aber – wie schon zu Spielbeginn – etwas von der Rolle. Thiel schien äußerst unzufrieden mit dem Auftritt seines Teams. Daher „war es ganz gut, dass André in der Auszeit nichts gesagt hat. Er muss uns auch mal machen lassen“, meinte Lisa Senger nach dem Spiel. Und die Mädels machten: Nach dem 5:8-Rückstand zur Auszeit drehten die Wildcats den Spielstand auf 12:9, behielten zum engen Satzende die Nerven und im dritten Durchgang die volle Kontrolle – 3:0 (25:19, 25:22, 25:10)-Sieg gegen den personell arg gebeutelten Aufsteiger.

Mit sieben wirklich einsatzfähigen Spielerinnen gingen die Gäste ins Spiel, die eingewechselten Anne Paß und Luzie Wiedeking waren gesundheitlich angeschlagen und sollten eigentlich für das wichtige Match am Sonntag gegen VCO Berlin (3:1) geschont werden. Und diese Essener Truppe entnervte den Spitzenreiter so richtig. Die Wildcats leisteten sich einfache Fehler. „Wir hatten zu viele Ungenauigkeiten drin“, bestätigte Swantje Basan.

Beim 9:8 waren die Gastgeberinnen erstmals vorn und waren spätestens nach zwei Assen von Anne Krohn zum 20:15 und 21:15 auf und davon. Doch die ganz große Euphorie kam nicht auf. Stattdessen bestimmte Hektik den Satzball. Weil Stralsund nach einem Personalwechsel ohne Zuspielerin agierte, schauten sich die Spielerinnen nach der Annahme erst verwirrt an, um sich im nächsten Moment beinahe über den Haufen zu laufen. Die Hereinnahme von Lisa Senger ordnete das Spiel wieder, doch erst der fünfte Satzball saß. Im zweiten Satz durfte Basan von Beginn an ran und holte mit ihrer ersten Ballberührung direkt den ersten Punkt. Doch Essen hielt weiter ordentlich dagegen, drehte auf 5:1 und sorgte zwischenzeitlich dafür, dass es totenstill war in der sonst so stimmungsvollen Diesterweghalle war. Die technische Auszeit mit Zuspieler-Wechsel zu Lisa Senger brachte die Wende. „Lisa hat einen anderen Rhythmus reingebracht und sehr gut aufgeschlagen“, lobte Teamkollegin Basan.

Zudem zeigte Senger ungeahnte Block-Qualitäten. „Ja geil, ne?! Ich dachte auch: Hallo Lisa!“, lachte die Zuspielerin. Wie auch Swantje Basan durfte die 21-Jährige mal wieder länger auf der Platte agieren. „Es hat richtig Spaß gemacht“, meinten beide unisono.

Einig waren sich Senger und Basan auch, dass ihre Wildcats während der engen Crunchtime in Satz zwei nicht wackelten. Bis zum 22:22 legte Essen immer wieder vor. Dann holten die Stralsunderinnen drei Punkte in Folge. André Thiel atmete tief durch, Gäste-Coach Marcel Werzinger strich sich ob die wieder einmal vergebenen Chance im Satzfinale resigniert durch den Bart und Senger und Basan blieben einfach cool. „Ich war mir ziemlich sicher, dass wir die Crunchtime meistern“, meinte die Zuspielerin. „Weil wir mittlerweile schon so viele knappe Spiele gewonnen haben“, ergänzte die Universalspielerin.

Im dritten Satz zeigte sich dann ein völlig anderes Spiel. Plötzlich klappte bei den Wildcats alles, Essen schien gebrochen (6:0, 11:1, 16:6). Zum Schluss legte Senger noch eine Sieben-Punkte-Aufschlagserie hin. Nur den Matchball setzte sie zu weit. „Ich wollte gern noch einen ausgegeben“, begründete sie augenzwinkernd.

Für den Zweitliga-Spitzenreiter verfestigt sich nach dem Sieg ohne Glanz gegen Essen die Erkenntnis, dass in dieser Spielzeit der eigene Kader ausgeglichen bestückt ist und Leistungstiefs gut kompensiert werden können. So sind die Wildcats nach dem siebten Erfolg ohne Satzverlust in Serie bereit für das Spitzenspiel beim Verfolger BBSC Berlin am kommenden Sonnabend.

Von Horst Schreiber (OZ)