Diagonalangreiferin Madleen Piest half beim 3:0-Sieg gegen VCO Berlin als Außen aus

Gegen Zweitliga-Schlusslicht VCO Berlin ließ sich Wildcats-Trainer André Thiel zu einem kleinen Experiment hinreißen, das aufging. Madleen Piest wurde kurzerhand von Diagonal- zur Außenangreiferin umgeschult, startete somit nicht anstelle sondern an der Seite von Stamm-Diagonale Anne Krohn und holte beim 3:0-Erfolg den ersten und letzten Satzball.

„André hatte mich unter der Woche gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte, denn ich hatte seit vergangener Saison Außen nicht wirklich trainiert“, erklärte Piest den Einsatz auf ungewohnter Position. „Es ist anders. Man hat mehrere Sachen im Kopf. Die Annahme kommt dazu, so hat man beispielsweise eine höhere Verantwortung.“

Doch der war Piest an der Seite ihrer Teamkolleginnen gegen Berlin gewachsen. Zuspielerin Svenja Enning startete mit einer Sechs-Punkte-Aufschlagserie von 0:1 bis 6:1 inklusive Ass. Zwei weitere sollten folgen. Insgesamt durften die Wildcats neun Mal direkt nach eigener Angabe jubeln. Als Enning zum zweiten Mal zum Aufschlag ging, setzten sich die Gastgeberinnen von 14:10 auf 19:10 vorentscheidend ab. Der Satzball ließ kurz auf sich warten, weil Piest erst ins Aus schlug, dann ausnahmsweise doch mit der Annahme haderte, ehe sie den Berliner Block zum 25:15 anschlug. „Das war eine Erleichterung!“, pustete die 24-Jährige durch. „Es wäre doof gewesen, mit einem Fehler aus dem Satz zu gehen. Deshalb wollte ich auch unbedingt den letzten Ball haben.“

Der zweite Satz begann mit Ennings zweitem Ass und mit Gästen, die sich nun mehr wehrten. Beim 13:12 erlangten die Wildcats die Führung zurück, die zum 17:12 ausgebaut und zum 25:16 über die Ziellinie gebracht wurde. Die Stralsunderinnen waren bis hierhin souverän unterwegs. Nichts erinnerte mehr an die Talfahrt vor einer Woche. Allerdings machte es ihnen der Gegner auch deutlich leichter.

„Im Vergleich zur Vorwoche (0:3 gegen Köln und 1:3 gegen Leverkusen) bin ich unzufriedener mit unserer Leistung“, gestand VCO-Trainer Manuel Hartmann. Insgesamt hätte sich der Berliner ausgemalt, besser dazustehen, als mit mageren sieben Punkten nach 15 Spielen. „Der Spagat zwischen trainieren, um zu gewinnen und trainieren, um zu entwickeln ist schwer“, meint Hartmann, dessen Team als Ausbildungsstützpunkt der Nationalmannschaft außer Konkurrenz in der Liga spielt. „Es täte gut, mal wieder einen Punkt oder gar Sieg zu holen.“

Davon waren die Gäste am Sonnabend in der Diesterweghalle aber weit entfernt. Zumindest ein Satzgewinn war aber in greifbarer Nähe, denn zum Start in die Crunchtime des dritten Satz stand es 19:19. Zuvor wechselten die Führungen immer wieder. Zwischenzeitlich brachte der VCO drei Punkte zwischen sich und den Wildcats. Zudem gewannen die 16- und 17-jährigen Berlinerinnen die spektakulärste Rallye des Abends. Vor dem 7:8 überquerte der Ball sieben, acht Mal das Netz, wurde auf beiden Seiten teils dramatisch, teils zufällig wirr gerettet.

„Wir hatten nichts zu verlieren, deshalb haben wir noch einmal bis zum Umfallen gekämpft“, bescheinigte Hartmann. Piest, die einst beim VCO Schwerin selbst Teil des Auswahl-Nachwuchses war, weiß, welche Kräfte bei einem krassen Außenseiter in so einer Phase freigesetzt werden können. „Aber da merkt man, ob man zuhause oder auswärts spielt. Mir hilft unser Publikum als quasi siebter Mann auf dem Feld in einer engen Crunchtime“, versicherte Piest. Mit der Unterstützung der 355 Fans drosch sie das Spielgerät schlussendlich zum 25:23 auf Berliner Boden.

So habend die Wildcats Selbstvertrauen für die schwere Aufgabe in Leverkusen am kommenden Sonnabend getankt.

Von Horst Schreiber (OZ)