Die Mittelblockerin des Zweitliga-Spitzenreiters war mehr als 1100 Spielminuten zum Zuschauen verdammt. Jetzt durfte die Stralsunder erstmals nach überstandener Knieverletzung beim 3:1-Erfolg gegen RPB Berlin wieder mitwirken.

André Thiel deutete kurz auf Rosa Ahrenberg, die nickte und der Trainer der Stralsunder Wildcats notierte die Nummer 5 auf dem Aufstellungszettel. Ahrenberg riss sich die Trainingsjacke aus. Auf diesen Moment musste die Mittelblockerin des Zweitliga-Spitzenreiters sehr lange warten.

Mehr als 1100 Spielminuten war Ahrenberg seit ihrer Knieverletzung im vergangenen November zum Zuschauen verdammt. Vor dem dritten Satz im Ligaduell gegen RPB Berlin hatte das Warten endlich ein Ende. Anspannung mischte sich in die Freude auf die Rückkehr. „Du spürst schon ein bisschen Druck, direkt abliefern zu müssen“, sagte die 20-Jährige.

Und das gelang zunächst nur ­mäßig. Denn nachdem die Wildcats die ersten beiden Sätze gegen den Drittletzten souverän für sich entschieden, verlor der Spitzenreiter den folgenden Durchgang – ausgerechnet bei Ahrenbergs erstem Auftritt nach dreimonatiger Verletzungspause. Für die Comebackerin aber kein Grund für Frust. Denn im vierten Satz klappte es mit ihrem ersten Punkt in 2020, dem 53. Satz- und 16. Spielgewinn der laufenden Saison. Stralsund schlug Berlin am Sonnabend vor rund 500 Fans mit 3:1 (25:11, 25:21, 22:25, 25:10).

Die erste Rallye des Abends ließ nicht lang auf sich warten. Die Wildcats gewannen gleich den zweiten Punkt erst nach mehrmaligem Hin und Her. Es war ein rasanter Auftakt zu einem Spiel, dass einige spektakuläre Ballwechsel und Rettungstaten auf beiden Seiten zu bieten hatte. So jagte beispielsweise Bentje Bornath einer misslungenen Abwehr hinterher, ihr Rückwärtsschlag von der Hinterfeldbande blieb allerdings im Netz hängen. In das Raunen des Publikums mischte sich Beifall für kämpfende Wildcats.

Die gute Laune auf den Rängen spornte die Spielerinnen auf dem Feld an. Nach dem super Start (3:0, 7:1, 12:6) ließen die Wildcats nicht locker. Der Satzball zum 25:11 ließ auf einen souveränen Erfolg hoffen. Die Zuversicht wurde größer, als der zweite Durchgang bis zur zweiten technischen Auszeit ebenfalls eindeutig war (8:4, 16:10).

Danach wurde RPB besser und Stralsund hektischer. Plötzlich stand es nur noch 21:20. Individuelle Fehler der Berlinerinnen und ein Block entschieden den Satz dennoch für den Favoriten. „Da hat man gesehen: Selbst die Spielerinnen, die mittlerweile viel Selbstverständnis auf die Platte nehmen, sind angreifbar. Und das sage ich immer wieder: Jede Mannschaft kann uns zu jedem Zeitpunkt ärgern“, betonte André Thiel. Er sollte Recht behalten.

Denn RPB stellte im Folgenden den bisherigen Spielverlauf gänzlich auf den Kopf. So musste sich das Stralsunder Fanlager mit einem Satzverlust anfreunden, den es in zuvor acht von neun Partien nicht mehr erlebt hatte. Es haperte plötzlich bei den Stralsunderinnen im Spielrhythmus. Das 5:4 war die letzte Führung in diesem Satz. „Wir haben unsere Angreiferinnen nicht in Schwung bekommen“, analysierte Thiel, der im gesamten Spiel die Rotationsmaschine kräftig ankurbelte. 13 Mal tauschte das Wildcats-Personal in den vier Sätzen. In der Vorwoche in Borken blieb es bei einem Wechsel. „Wir haben gute Spielerinnen, die es verdient haben, zu spielen“, sagte der Übungsleiter, der bei seinem Team „Fehlerchen“ sah, während RPB keine mehr machte. „Das Risiko gehen wir ein. Wir dürfen auch mal einen Satz verlieren.“

Im letzten Durchgang wurde das Risiko wieder minimiert, denn das Wildcats-Personal mit „mehr Selbstverständnis“ (Thiel) schoss die Bälle nur so auf die Berliner Seite und stellte die Weichen endgültig auf Sieg (5:0, 11:3, 16:7). Dann lief’s auch für Ahrenberg wieder rund. Mit der ersten Berührung nach Einwechslung knallte sie den Spielball zum 19:8 auf den Boden. „Ja, war schon cool“, grinste die Greifswalder Studentin über ihre ersten Punkte. Kurz darauf war Ahrenbergs gelungene Rückkehr perfekt.

Von Horst Schreiber (OZ)