Duell beim Aufsteiger SSF Fortuna steht an – jedoch moralische und wirtschaftliche Abwägung über Spielabsagen im Vordergrund

Antreten oder nicht? Die Frage beschäftigt die Stralsunder Wildcats vor dem anstehenden Auswärtsspiel bei SSF Fortuna Bonn seit Bekanntgabe der verschärften Regeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie im Sport. Denn als Volleyball-Zweitligist ist der 1. VC Stralsund Teil einer Profiliga und somit vom Spiel- und Trainingsverbot ausgenommen. Andererseits scheint die 1500 Kilometer lange Reise in ein Risikogebiet nicht gerade verlockend.

Wie im Frühjahr stecken die Volleyballerinnen in einem Dilemma zwischen vernünftigem Verzicht und wirtschaftlichem Zwang.

Trainer André Thiel war am Donnerstagmorgen noch zwiegespalten, wie sich der Verein am besten verhalten solle. Beim 1. VC und einigen Ligakonkurrenten herrschen zwar semiprofessionelle Strukturen, bis auf Ariane Voelkner als Teammanagerin und Co-Trainer ist jedoch niemand im Verein hauptamtlich angestellt. Eine Einordnung als Amateurvolleyballer, deren Spielbetrieb bereits eingestellt ist, läge näher.

Im aktuellen Rahmenspielplan der 2. Bundesliga sind bereits fünf freie Wochenenden für Nachholtermine eingeplant, ein vorübergehender Stillstand würde aber auch eine zwei- bis dreiwöchige Wiederanlaufphase für Trainings nach sich ziehen. „Wir sind ja grundsätzlich froh, spielen zu dürfen. Aber die Vernunft gebietet eigentlich, dass wir es nicht tun“, schätzt Thiel ein.

Doch ein Nicht-Antritt der Wildcats ist eine heikle Option. Neben empfindlichen Strafen (2000 Euro pro Spiel) sähe Thiel eine „Verzerrung des Wettbewerbs“ und Täubrich ein Argumentationsproblem: „Wir können nicht sagen: Nach Bonn fahren wir nicht, zu Hause spielen wir, aber dann in Emlichheim wieder nicht.“

Wirtschaftliche Einbußen müssen die Vereine auch beim Fortlaufen der Saison hinnehmen. Ohne Zuschauer fallen überlebenswichtige Einnahmen weg, die Reisekosten aber bleiben. Über den Sporttotal.tv-Livestream, an den nur vier Nordstaffel-Klubs angeschlossen sind, können sich nur wenige Sponsoren präsentieren.

Prekär ist zudem die Arbeitssituation der Spielerinnen und Betreuer. Mit Thiel, Lisa Schulmeister und Birte Kaschützke stehen drei Lehrer im Wildcats-Kader, bei denen aktuell noch unklar ist, ob sie im Rahmen des Sports überhaupt in ein Risikogebiet fahren dürfen. „Selbst wenn ich das Go bekomme, heißt es noch lange nicht, dass es richtig ist, zu fahren. Ich habe eine Verantwortung gegenüber den Schülern“, argumentiert Thiel. Vereinschef Steffen Täubrich ergänzt: „Der sportliche Wert nimmt ab. Mannschaften werden nicht vollständig antreten und Spiele ausfallen.“

Daher bleibt den Wildcats vorerst nichts anderes übrig, als „die Spiele anzugehen, wie sie geplant sind“ (Täubrich). Ein sportlich erfolgreiches Abschneiden der Stralsunderinnen beim Aufsteiger wäre angesichts dieses Antritts-Dilemmas lediglich schmückendes Beiwerk. Anpfiff ist am Sonnabend um 19.30 Uhr geplant.

Von Horst Schreiber (OZ)