Stralsunder Wildcats ziehen sportliches Fazit zur Corona-Saison, in der Platzierung Nebensache war.

Von der Eins im Vorjahr auf die Sechs in der 2. Volleyball-Bundesliga 2021 – Doch in dieser Saison war der Tabellenplatz für die Stralsunder Wildcats höchstens Nebensache. Anne Krohn und Sabrina Dommaschke sagen, worauf es in der nun abgeschlossenen Corona-Spielzeit ankam.

Eine in vielen Belangen außergewöhnliche Volleyball-Saison in der 2. Bundesliga Nord ist zu Ende. Die Stralsunder Wildcats, vor einem Jahr noch Erster, haben mit coronabedingt deutlich weniger Trainingsumfang auf Platz sechs geparkt. Statt vier bis fünf Einheiten pro Woche schlugen die Hanseatinnen meist nur ein- bis zweimal in der Trainingshalle auf. Oft hielten sie wochenlang gar keinen Ball in der Hand. Trainer André Thiel sagte zuletzt: „Wir mussten turbo-lernen, uns mit wenig Training verbessern. Ich denke, das, was wir daraus gemacht haben, kann sich sehen lassen.“

Das Prunkstück lieferten die Wildcats am letzten Spieltag beim BBSC ab, finden die Kapitäninnen Anne Krohn und Sabrina Dommaschke. Beide teilen ihre Erkenntnisse aus der besonderen Saison.

War das eine Saison zum Vergessen oder bleibt gerade die lange in Erinnerung?

Sabrina Dommaschke: Gerade weil sie so besonders war, wird man sich daran erinnern. Wir haben in den letzten Monaten viele verschiedene Phasen erlebt – trainiert, nicht trainiert, lange Pause, viele Spiele in kürzester Zeit.

Anne Krohn: Irgendwie fühlt es sich auch noch nicht so an, als wäre die Saison rum. Die Rückrunde ging so schnell. Die war ja binnen zwei Monaten vorbei.

Was waren für euch die Momente der Saison?

Dommaschke: Die Doppel-Auswärtsspieltage hatten schon was. Die waren wie kleine Klassenfahrten. Dort haben wir die Abwesenheit unseres Cheftrainers gut gemanagt, uns viel mit den Co-Trainern ausgetauscht.

Krohn: Unser Team ist durch die Spielerinnen in Rostock und in Stralsund meist zweigeteilt. Corona hat die ganzen geplanten Teambuilding-Abende ausfallen lassen. Daher waren die Fahrten wichtig für uns als ganze Gruppe.

Die Mannschaft ist nach der verwehrten Meister-Krönung in vergangenen Jahr moralisch angeknackst in die Saison gestartet. Trainer André Thiel konnte die Niedergeschlagenheit nie wirklich ablegen. Wie hat sich eure Einstellung nach dem Neustart verändert?

Dommaschke: Ich habe irgendwann einen Haken hinter die vergangene Saison gesetzt, um befreit Volleyball spielen zu können. Wir haben uns ja dann intern auch als Meister gefeiert. Das war wichtig. Und dann haben wir gut weitergemacht.

Krohn: Am Anfang war es schwierig, eine Einstellung zu dieser Saison zu finden. Der Verein hat uns frühzeitig die Last genommen, irgendwas wiederholen zu müssen, sprich: „noch mal“ Meister zu werden.

Die Mannschaft hat sich ziemlich schnell von tabellarischen Zielsetzungen losgesagt. War damit auch etwas der sportliche Ehrgeiz entwichen, der euch vor einem Jahr auf Platz eins getragen hat?

Krohn: Es war klar, dass der Tabellenplatz in dieser Spielzeit nicht den Stellenwert wie vergangene Saison hat. Dafür waren die Teams diesmal einfach nicht vergleichbar. Manche haben voll durchtrainiert und -gespielt. Andere – wie wir – haben das Training auf ein Minimum reduziert. Wiederum andere mussten immer wieder quarantänebedingt aussetzen. Aber es ging uns ja trotzdem um unsere sportliche Entwicklung. Ich denke, das letzte Saisonspiel hat gezeigt, dass wir alles in die Waagschale geworfen haben. Dafür sind wir Sportler genug, dass wir trotzdem nicht verlieren wollen.

Wenn man in zehn Jahren nüchtern auf die Bilanz der Stralsunder Wildcats zurückblickt, sieht man erst einmal eine negative Entwicklung von Platz eins zu Platz sechs. Ein Absturz?

Krohn: Nein! Wie gesagt, es ging in diesem Jahr um unsere sportliche Entwicklung. Und schaut man genauer hin, sieht man, dass uns nur ein Sieg zu Platz drei fehlt.

BSV Ostbevern und VfL Oythe haben sich aufgrund der coronabedingt erschwerten Situation auf halber Strecke aus dem Spielbetrieb abgemeldet. Wie dicht standen die Wildcats vor einem Rückzug?

Krohn: Natürlich standen auch wir Mitte Dezember vor der Frage: Was machen wir jetzt? Geht die Gesundheit oder der Sport vor? Da waren wir alle auf einem Nenner und haben so viel wie möglich der Gesundheit untergeordnet. Wir haben zum Beispiel weniger trainiert, haben uns immer getestet. Das hat nicht jedes Team gemacht.

Dommaschke: Es ging nicht darum, das Handtuch zu werfen, sondern wie wir uns organisatorisch verbessern und alles unter einen Hut kriegen können. Beispielsweise sind wir nach Bonn an einem Tag hin- und zurückgedüst – und haben „zwischendrin noch fix“ gespielt. Normalerweise hätten wir dort übernachtet und uns in Ruhe auf das Spiel vorbereitet.

Erstmals gab es eine Kapitäns-Doppelspitze bei den Wildcats. Eine gute Lösung oder gab es Kompetenz-Gerangel unter euch Anführerinnen?

Dommaschke: Ich bin ein Freund davon, Sachen auf mehrere Schultern zu verteilen. Es klappte sehr gut, dass wir als Erfahrenste anführen. Es gab regen Austausch mit den Spielerinnen. Das war schon wichtig, gab uns und dem Team ein gutes Gefühl.

Krohn: Ich bin ebenfalls totaler Fan von Doppelspitze, kenne das aus meiner Zeit bei Hamburg. So konnten wir uns auch untereinander austauschen und waren in unseren Entscheidungen nicht alleine. Das hat mir persönlich Sicherheit gegeben. Auf dem Feld haben wir uns angeguckt und abgesprochen, wer jetzt welche Ansprache braucht. Wir haben im Team das Team geführt.

Seid ihr in der kommenden Saison weiter dabei?

Dommaschke: Irgendwer muss den Laden ja zusammenhalten. (lacht)

Krohn: Wenn ich mir Biene so angucke, dauert das noch drei Jahre, bis Schluss ist. (lacht)

Also führt ihr die Wildcats noch in die erste Liga.

Dommaschke: Mal sehen, ob wir uns an dem Drei-Jahres-Plan des Vereins zum Aufstieg orientieren. Unsere „körperlichen Begleiterscheinungen“ in unserem Alter (Sabrina Dommaschke ist 34 Jahre, Anne Krohn ist 37 Jahre/d. Red.) lassen uns ja noch gut Volleyball spielen.

Krohn: Biene und ich sind gefordert, die fortwährenden Neuanpassungen im Team aufzufangen. Der Verein wird von Jahr zu Jahr professionalisiert. Mit dem Kader haben wir gute Chancen, oben mitzuspielen.

Das letzte Saisonspiel beim BBSC lief mitunter grandios, Anne Krohn stand danach als wertvollste Spielerin der Liga fest. Der perfekte Abschluss?

Dommaschke: Das war wirklich ziemlich cool. Wenn jedes Spiel so läuft wie das, werden Anne und ich sicher keinen Gedanken ans Aufhören verschwenden. Und wir haben endlich mal mit Sektdusche gefeiert. (lacht)

Krohn: Es war das i-Tüpfelchen auf der Saison. Es war eins der besten Spiele von uns. Alle waren stark. Deswegen geht wohl jede von uns mit einem positiven Gefühl aus der Saison.

von Horst Schreiber