Ein Punktgewinn war für die Stralsunder Wildcats bei VC Allbau Essen in Reichweite. Die Sund-Volleyballerinnen sind aber noch nicht bei 100 Prozent. Es folgt ein richtungsweisendes Kellerduell.

Immer wieder bejubelte Robert Hinz am Spielfeldrand euphorisch wichtige Punkte seiner Stralsunder Wildcats.

Mal ballte der Volleyball-Trainer eine Faust. Mal „sägte“ er mit dem Arm durch die Luft. Mal riss er die Doppelfaust in die Luft und brüllte seine Freude in die Essener Bergebockhalle, wenn sein Team gegen VC Allbau die Führung übernahm oder ausbaute. Hinz spürte, dass es im dritten Spiel der jungen Zweitliga-Saison mit dem ersten Zähler klappen könnte. Am Ende trog das Gefühl. 1:3 (21:25, 16:25, 25:15, 19:25) verloren die Wildcats in Essen. Nach dem Abpfiff stand Hinz wie versteinert mit hinterm Rücken verschränkten Armen und starrte in die Luft.

Die Stralsunderinnen starteten schwankend ins Spiel, liefen anfangs einem Rückstand hinterher (3:7), kämpften sich ran (10:11) und hatten beim 16:16 die Chance, das Ergebnis erstmals zu drehen. Doch der erste von zwei sehr langen Ballwechseln im Spiel ging verloren (16:18). Libera Sabrina Dommaschke forderte in einer eindringlichen Besprechung auf dem Feld umgehend „mehr Ruhe in den ersten Kontakten, damit wir dann unser schnelles Spiel durchziehen können.“ Doch die Ansprache verpuffte. Es war ein Bruch im Wildcats-Spiel. In der Folge versprangen drei Annahmen. Essen zog vorentscheidend davon (22:17).

Dommaschke war dennoch „sehr positiv gestimmt. Nach dem verlorenen zweiten Satz sah das dann leider etwas anders aus.“

Nach gutem Start in den zweiten Durchgang, bei dem die Wildcats erstmals in Führung gingen (6:4) und ihren Trainer so zu Jubelfaust-Posen verleiteten, brachte sie eine Schwächephase (10:12, 13:20) unwiederbringlich ins Hintertreffen. „Wir mussten dringend etwas verändern – unsere beste Angreiferin Anne (Krohn/Red.) besser nutzen. Also haben wir unsere Spielidee angepasst und sie höher bedient, damit sie besser durchkommt“, erklärte Dommaschke. „Das hatte ja auch entsprechenden Erfolg.“

Tatsächlich kam die Kapitänin im Angriff im dritten Satz ins Rollen, schlug zwischen dem 4:1 und 9:6 drei Angriffe auf Essener Boden und holte wenig später zur Aufschlagsserie aus. Vom 13:10 bis 19:11 brachte Krohn die Essener Abwehr mächtig ins Schwitzen. Zwischenzeitlich verschwand Trainer Hinz auf die Toilette und sah gar nicht, wie sein Team zum ersten Satzgewinn der Saison eilte. In der Phase klappte in Angriff und Abwehr der Wildcats alles. Fast alles. Der in dieser Spielzeit ungewohnte Satzball von Anna-Lena Vogel geriet zu lang. Halb so wild. Direkt danach bejubelte Hinz das erlösende 1:2 mit einer Faust und Luftsägen-Einlage.

Die Euphorie hielt an, bis die Wildcats dank starker Aufschläge von Svenja Enning den verkorksten Start in den vierten Satz wettmachten und beim 13:13 sogar die Chance auf einen Punktgewinn witterten. „Wir haben auf dem Feld gespürt, der Knackpunkt ist jetzt da. Das könnte noch was werden“, beschrieb Krohn und stellte im nächsten Atemzug ernüchtert fest: „Nach dem 13:13 haben wir Fehler gemacht, die nicht sein dürfen!“

Anders, als im Durchgang zuvor, schafften es die Gäste nicht, in ihrer Hochphase den Gegner völlig aus dem Konzept zu bringen. Stattdessen offenbarte der Stralsunder Block große Lücken und der Annahmeriegel Unsauberkeiten (14:16, 16:21).

So versprang Krohn beispielsweise eine eigentlich einfache Annahme direkt zurück übers Netz ins Aus (19:24). „Das darf nicht sein!“, haderte die Kapitänin mit sich selbst. „Ich vertraue mir grundsätzlich in der Annahme, habe aber noch keine Routine.“ Nach ihrer langen Strandsaison stieg die 37-Jährige erst wenige Tage vor Hallensaisonbeginn ins Teamtraining ein. Als langjährige Diagonalangreiferin muss sie sich zudem noch zur Außenangreiferin umschulen. Die damit einhergehende und für sie neue Annahmesituation bekam Krohn schon in der Vorwoche in Leverkusen deutlich zu spüren. „Das ist Turbo-Lernen für mich. Als Diagonale hatte ich die Verantwortung, Punkte zu machen. Jetzt muss ich mit guten ersten Kontakten dafür sorgen, dass auch andere punkten können“, beschreibt sie und schiebt eine Bemerkung an, die für das gesamte Wildcats-Team gelten dürfte: „Ich bin noch nicht bei 100 Prozent. Da kommt noch was!“

Möglichst nah ans Topniveau müssen die Wildcats in zwei Wochen kommen. Am 9. Oktober empfangen sie SSF Fortuna Bonn zum Kellerduell der noch punktlosen Teams der 2. Bundesliga Nord. Zudem geht es einen Tag später gegen ETV Hamburg um den Einzug in die Qualifikationsrunde zum DVV-Pokal-Achtelfinale.

Von Horst Schreiber (OZ)