1. VC Stralsund ist erstes Team, das Zweitliga-Spitzenreiter Bayer einen Punkt abringt

„Das war ein Spiel mit vielen Auf und Abs“, bilanzierte Anne Krohn nach dem Topduell in der Nordstaffel der 2. Volleyball-Bundesliga.

Mit dieser Analyse traf die Kapitänin der Stralsunder Wildcats voll ins Schwarze. Gegen den bislang makellosen Tabellenführer Bayer Leverkusen zeigten sich die Hanseatinnen im Vergleich zum desaströsen Auftritt der Vorwoche in Emlichheim wie ausgewechselt. Mal dominierten die Gastgeberinnen, mal die Gäste vom Rhein. Stets war es spektakulär. Am Ende jubelte Leverkusen mit über 3:2 (25:21, 18:25, 25:14, 22:25, 15:11)-Sieg.

„Das war auch auf dem Feld super spannend. Man wusste nie, was machen wir jetzt, was machen die? Ein Spiel auf hohem Niveau“, meinte Krohn. Zwar waren sie und ihre WIldcats das erste Team, das die zuvor weiße Bayer-Weste befleckte und einen Punkt entreißen konnte, dennoch haderte Krohn nach Abpfiff mit der verpassten Chance auf die ganz große Überraschung gegen den Favoriten. „Da bin ich Sportler und ärgere mich über eine Niederlage.“

Charlotta Werscheck: Tanzen, appellieren, tanzen

Leverkusen übernahm zu Spielbeginn die Oberhand, stellte die Stralsunderinnen mit harten Aufschlägen und Angriffen gehörig unter Druck. 10:6 lautete die erste größere Führung für Bayer. Vor allem Charlotta Werscheck kam häufig mit Wucht zum Erfolg. Es lief nach Plan für den Ligaprimus (16:11, 19:14). Das verleitete Werscheck, die später zur wertvollsten Leverkusener Spielerin ausgezeichnet wurde, zu kleinen Tänzchen am Feldrand während der Auszeiten. Es spielte sich unbeschwert mit acht Siegen und dem ersten Satzgewinn im Rücken.

Ein paar Minuten später strahlten allerdings die Gesichter der Wildcats. Sie legten einen starken Start in den zweiten Durchgang hin (13:6) und waren nach dem Ass von Svenja Enning drauf und dran, ein dickes Ausrufezeichen zu setzen (19:9). Doch Leverkusen blies noch einmal zur Aufholjagd, die Paula Wedekind per Block stoppte (22:15). Werscheck war das Tanzen vergangen und redete wild gestikulierend auf ihr Team ein.

Der Appell schien Wirkung zu zeigen. Erneut wendete sich das Blatt. Leverkusen zog im dritten Satz direkt davon (12:3). Davon erholten sich die Gastgeberinnen nicht mehr. „Wir hätten schon im zweiten Satz vermeiden müssen, dass sie ihren Spielfluss wiederfinden“, blickte Krohn zurück.

„Man hat die junge Anne Krohn gesehen“

Doch die Wildcats schüttelten sich kurz und zeigten dann mit Leverkusen starkes Volleyball. Beide Abwehrverbunde retten viel und spektakulär, der Stralsunder Block packte nun zu und beide Angriffsreihen machten mächtig Dampf. Anne Krohn ließ sogar ein wiedererlerntes Element aus ihrem Repertoire aufblitzen und stellte die Gegner per Topspin-Aufschlag vor Probleme. „Das war früher mein Lieblingsaufschlag. Ich hatte mir vor der Saison vorgenommen, den wieder zu spielen, habe trainiert und jetzt war er wettkampffähig. Man hat quasi die junge Anne gesehen“, lachte Krohn, die vergangene Woche ihren 37. Geburtstag feierte.

Es entwickelte sich ein hochspannender vierter Satz, indem die Wildcats beim 23:18 vorentscheidend in Führung gingen. Madleen Piest und Krohn brüllten sich ihre Freude ob der erfolgreichen Rettung zuvor gegenseitig ins Gesicht, der Rest der Mannschaft reckte freudestrahlend die Hände Richtung Hallendecke. Wenig später sicherte Svenja Ennings Aufschlag-Ass einen Punkt – 2:2. „Wir waren wieder mit Emotionen dabei, es hat echt Spaß gemacht“, lobte Krohn, die sich persönlich einiges vorgenommen hatte: „In Emlichheim war ich zurückhaltend, habe mich anstecken lassen. Das passiert mir nicht nochmal!“ Das Vorhaben klappte, doch die Krönung blieb aus.

Im finalen Satz ging das Auf und Ab weiter: mal hauchdünne Führung Stralsund, mal hatte Leverkusen die Nasenspitze vorn. Schlussendlich wuchtete sich Charlotta Werscheck durch den Wildcats-Block zum finalen Punkt und die Leverkusenerin war mit ihren Teamkolleginnen wieder in Tanzlaune. „Ein faires Ergebnis, weil Leverkusen ein paar Sachen besser gemacht hat als wir“, sagte Krohn.

Ahrenberg zurück, Köln vor der Brust

Neben der Leistungssteigerung hatte die Partie einen weiteren Lichtblick für die Wildcats parat. Rosa Ahrenberg agierte nach langer Verletzungspause kurzzeitig auf ihrer Mittelblock-Position. „Ich musste innerlich lachen, denn es war ein schöner Moment, als sie reinkam. Man leidet ja mit ihr, wenn sie so lange raus war“, freute sich Krohn.

Der kommende Sonnabend verspricht ein ähnliches nervenaufreibendes Spiel. Dann kommt der Ligazweite aus Köln zum nächsten Topspiel nach Stralsund.

Von Horst Schreiber (OZ)