Stralsunder Wildcats unterliegen Erstligist Aachen im Achtelfinale mit 1:3

Das Stralsunder Pokalmärchen dauerte 24 Minuten. In dieser ersten halben Stunde des Achtelfinals spielten sich die Wildcats in einen emotionalen Rausch und den Gegner aus Liga eins an die Wand.

Nach dem Satzgewinn (25:19), der am Sonnabend um 17.24 Uhr beinahe fassungslos sowohl auf dem Feld als auch auf der vollen Tribüne der Diesterweghalle zelebriert wurde, mutierten die Ladies in Black Aachen allerdings zur Partybremse für die Sund-Volleyballerinnen.

Der Erstligist holte sich souverän Satz zwei und drei (jeweils 25:12) und machte am Ende des vierten Durchgangs (25:18) den Einzug ins DVV-Pokal-Viertelfinale klar. Dennoch: Die Stralsunder Wildcats konnten mit sehr breiter Brust die Cupsegel einholen. Das sah auch Libera Sabrina Dommaschke so: „Enttäuscht? Nein! Wir haben Aachen im ersten Satz ,aus der Halle geschossen’ – Wahnsinn.“ Auch Teamkollegin Paul Wedekind war das Lächeln nach Abpfiff nicht abhanden gekommen. „Ja, das hat Spaß gemacht. Aber es hat auch ordentlich gezwirbelt.“

Ladies in Black müssen kräftig durchpusten

Und damit dürfte die Mittelblockerin nicht Unrecht haben. Direkt beim ersten Punkt zeigte Außenangreiferin Marrit Jasper, welche Geschosse auf die Stralsunderinnen zukommen werden. Die Niederländerin knallte das Spielgerät ansatzlos in die Feldmitte der Gastgeberinnen. Die Wildcats blieben cool und brachten die Gäste danach mächtig ins Schwimmen. Lene Scheuschner (10:8) und Laura Kurtze (16:12) standen der Angriffspower von Jasper in Nichts nach, Anne Krohn bewies ihr feines Beachvolleyball-Auge und streichelte den Ball auf Aachener Boden (13:9).

Beim Stand von 18:13 für Stralsund zog Gäste-Trainerin Saskia van Hintum die Reißleine. Auszeit, nein Durchpusten für die Ladies in Black. Vergeblich. Die Wildcats führten den Tabellenzweiten aus der Bundesliga weiter vor. Als die Anzeige auf 25:19 umsprang, vermischten sich Ekstase und Ungläubigkeit im Gesicht von Sabrina Dommaschke. „Naja, weil es einfach Wahnsinn war. Damit konntest du nicht rechnen!“, suchte die Libera nach einer Erklärung für das emotionale Hoch. „Wir waren sehr mutig und hatten Glück, dass alle Aktionen gelangen.“

Aachen musste kräftig schlucken. „They made us crazy!“, gestand Jasper. „Wir wussten, wir mussten sofort bereit sein, aber wir waren es nicht. Das ist immer eine heikle Sache gegen den Underdog zu spielen. Sie versuchen alles, sind bis an die Haarspitzen motiviert. Und Stralsund hat einen wirklich guten Job gemacht.“

Dann doch: Klassenunterschied wird deutlich

Auf das emotionale Hoch folgten allerdings zwei herbe Dämpfer. Denn in Satz zwei und drei rückten die Ladies in Black die zuvor erwarteten Kräfteverhältnisse wieder zurecht. Die Anfangsphasen der beiden Durchgänge hielten die Wildcats offen. Doch von einem 8:13- und einem 7:15-Rückstand erholten sich die Gastgeberinnen nicht mehr. Aachen war einfach zu stark. Der Klassenunterschied wurde deutlich.

Die Truppe von André Thiel steckte zu keinem Zeitpunkt auf, allein wurden sie für den großen Kampf nicht mehr belohnt. Sinnbildlich: Svenja Enning hechtet ungeachtet der Werbebegrenzung, in die die Zuspielerin mit voller Wucht knallte, einem Ball hinterher, den Punkt erzielte dennoch Aachen. „Alles okay. Mir taten nur die Helfer leid, die die Banden wieder aufrichten mussten“, kommentierte Enning die Kollision.

Letzter Versuch: Vollgas

Im vierten Durchgang keimte zu Beginn neue Hoffnung auf, Aachen doch noch in den Tie-Break zu zwingen, weil sich die Wildcats diesmal nicht abschütteln ließen (2:0, 2:8, 13:14). Dommaschke bemühte sich als Anpeitscherin, um die Diesterweghalle wieder in den Rauschzustand aus dem ersten Satz zu versetzen. „Wir waren zwischenzeitlich runtergefahren. Also habe ich überlegt, was kannst du machen. Noch mehr Vollgas und so vielleicht meine Mädels mitziehen. Deswegen habe ich jeden Punkt und Aufschlag beklatscht“, sagte die 32-Jährige, die wie Swantje Basan schon 2013 im Pokal gegen Aachen dabei war.

Was bleibt ist ein Pokalabend, der ohne Anlaufzeit für überkochende Stimmung bei den mehr als 500 Zuschauern sorgte, und der Mut macht für das anstehende Spitzenspiel in der 2. Bundesliga gegen Tabellenführer Bayer Leverkusen.

Von Horst Schreiber (OZ)

Kommentar: Sensationen ausgeschlossen

Schade ist wohl das Wort, das das Pokal-Aus der Stralsunder Wildcats gegen die Ladies in Black Aachen am besten beschreibt. Es klingt nüchtern genug, um der Erwartbarkeit des Ereignisses Ausdruck zu verleihen und dennoch liegt eine gewissen Sehnsucht in diesem Wort. Die Sehnsucht nach der Möglichmachung des scheinbar Unmöglichen, der Coup des Underdogs gegen den Favoriten im deutschen Volleyball-Pokal. Vor einem Jahr stand die Thiel-Truppe so nah wie nie an der Viertelfinal-Schwelle.

Doch wie an diesem Wochenende sollte es 2018 beim 2:3 gegen Straubing einfach nicht sein, obwohl David phasenweise über sich hinauswächst und Goliath mit voller Wucht ein Bein stellt. Aber Goliath fällt nicht. Nie. Das ist eine ernüchternde Erkenntnis. Die Diskrepanz zwischen 1. und 2. Bundesliga im Volleyball scheint unüberwindbar. Deshalb war dieser erste Satz der Wildcats gegen die Ladies in Black auch so sensationell. Deshalb konnte Sabrina Dommaschke dieses 25:19 selbst kaum glauben. Deshalb sind dieser erste Satz oder das Erzwingen des Tie-Breaks vor einem Jahr das höchste der Außenseiter-Gefühle. Und deshalb bleibt es bei „schade.“